Nein, ich stelle hier kein weiteres, in Entwicklung befindliches, Gerät vor. (Und schon wenden sich 90% der Leute, die in die "Clickbait"-Falle getappt sind, enttäuscht ab)
Gerade in letzter Zeit wurden ja einige Retro-Computer (im wirklichen Sinne) vorgestellt: C256Foenix, Mega65 und Commander 16 (vorläufiger Name). Die Geräte haben gewisse Gemeinsamkeiten aber auch gravierende Unterschiede. Und jedes der Geräte baut seine eigene Fanbase auf und will natürlich erfolgreich sein – weil die Entwicklung ja auch aufwendig und spätestens in der Herstellung teuer ist.
Dies ist ein Luftschlösser-Thread!!! (nicht, dass jemand später behauptet, ich wolle etwas bauen (lassen) – Es geht um reinen Gedankenaustausch)
Mir fiel auf, dass mich keines der Projekte wirklich dahingehend überzeugen kann, es zu kaufen – am ehesten noch der Commander 16 (wegen des angepeilt günstigen Preises). Warum nicht? Naja, es sind die "Dream"-Computer anderer Leute und halt nicht MEIN Dream-Computer. Jetzt ist es aber nicht so, dass ich schon ein fertiges Konzept von meinem Traum-Retro-Rechner in der Schublade hätte. Ich weiß eher, was ich alles NICHT will. Und die bisherigen Konzepte führen natürlich schon dazu, dass man gewisse Eigenschaften sieht, die man auch in einem eigenen Gerät gerne sehen würde. Ich würde euch gerne hier ein paar (für mich wünschenswerte) Merkmale meines Retrotraumrechners auflisten und ihr könnt dazu ja mal was sagen oder ergänzen oder eure eigenen Vorstellungen hier posten.
Vielleicht ist das am Ende nur eine Ansammlung der unterschiedlichsten Rechner-Konzepte, vielleicht kristallisieren sich aber auch Gemeinsamkeiten heraus, die zu einem weiteren "Kompromiss"-Rechner führen, den dann ja vielleicht doch jemand bauen will – weil sich viele darauf einigen konnten. Das wäre dann ein demokratischer Retro-Rechner.
Nun meine Gedanken zum Thema Retro-Computer:
Kompatibilität: Ist eine Kompatibilität zu einem "alten" Rechner erforderlich (wie beim Mega65)? Ich bin mir da nicht ganz klar darüber. Will man ein neues Gerät kaufen, um vorwiegend alte Software darauf laufen zu lassen oder alte Geräte daran anzuschließen? Soll das neue Gerät die alten Geräte schonen, damit sie in der Vitrine bleiben können? Ich weiß es nicht. Vielleicht könnte man es als zusätzliches Feature bewerben, wenn der FPGA Core (oder was auch immer) auch C64-, Atari-, Specci- oder Apple-Software abspielen könnte? Ich denke, zentral für jeden Retro-Rechner ist es, einen Modus zu haben, für den neue Software entwickelt werden kann. Und dieser Modus muss attraktiv für Entwickler sein – über welche Features auch immer.
Formfaktor: Soll das Gerät ein Tastatur-Rechner sein? Diese Lösung hat natürlich was – es ist einfach DIE Bauform für einen Homecomputer. Allerdings sind die Kosten dadurch immens, denn es muss nicht nur ein großes Gehäuse her (das für die heutige Technik gar nicht mehr benötigt werden würde), sondern auch Tastatur-Mechanik, Tastenkappen mit passender Bedruckung etc. Gut, man könnte natürlich davon Abstand nehmen, dass Gehäuse und Keyboard einer alten Vorlage ähnlich sehen sollen, dann könnte man auf Standard-Bauteile zurückgreifen. Allerdings hat ein Tastatur-Computer den Nachteil, dass alle Kabel (zumindest Strom) zu ihm geführt werden müssen und er deswegen nicht unbedingt Wohnzimmer-tauglich wäre (Stolperfalle). Da wäre ein Kasten besser geeignet, der z.B. in der Nähe des TVs/Monitors aufgebaut wird und den man über Funk bedienen kann – wie man es von heutigen Spielkonsolen her kennt. Trotz der kleinen Kiste sollte das Design nicht vernachlässigt werden, denn darüber laufen viele Emotionen. Vielleicht stellt der Kasten sein Logo selber dar, so ähnlich, als würde man ein leuchtendes Atari-Fuji oder C= Logo auf dem Tisch stehen haben. Das wäre ein cooles Statement.
Aufstellung: In welchem Zimmer des Zuhauses hätte man denn überhaupt einen neuen Homecomputer stehen? Ich denke, er kann im Arbeits-/Hobby-Zimmer stehen aber auch im Wohnzimmer. Eigentlich ganz ähnlich, wie früher. Manch einer hatte ein Computer-Zimmer, andere hatten den Computer am Wohnzimmer-TV angeschlossen. Wer selber Programme darauf schreiben will, wird den Rechner wohl auf einen Schreibtisch stellen, wer damit spielen will, wird vielleicht den Fernseher im Wohnzimmer favorisieren. Beides sollte so ein Rechner gut hinbekommen. Der Homecomputer sollte auf jeden Fall recht portabel sein, sodass man ihn auch schnell mal mit zu einem Computer-Treffen oder zu Freunden mitnehmen kann.
Preis: Für mich wäre ein Retro-Homecomputer vor allem auch ein Home-Computer. Der sollte kostengünstig sein. Und um so bezahlbarer er ist, desto besser wird er sich verkaufen – was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihn Software-Entwickler für sich entdecken. Für nur 1.000 Computer wird sich niemand hinsetzen und ein aufwendiges Spiel schreiben. Bei 100.000 Computern sähe die Situation schon anders aus. Der Preis, den der 8-Bit-Guy beim Commander 16 anstrebt, ist schon sehr ambitioniert: Zwischen 50 und 100$. Ich denke, 99$ sind halt eine gewisse Grenze, 199$ auch. darüber wird die Luft dann schon dünner. Man muss bedenken, dass die potentiellen Käufer schon andere Geräte haben werden, sei es Spielkonsolen oder alte/neue Rechner, Smarte TVs und dazu noch Smartphones und Tablets. Ein Retro-Homecomputer ist also kein Must-have, sondern ein Goodie, dass man sich zusätzlich gönnt. Natürlich gibt es auch eine Anzahl von Leuten, die das noch bei 500$ tun würden – aber eben schon deutlich weniger als beim halben Preis. Ich fände so um die 100 $/€ ganz angenehm und bei dem von mir angedachten Formfaktor gäbe es ja auch nicht so teure Teile, wie Custom-Keyboards.
Technik: Für mich persönlich ist nicht entscheidend, ob so ein Retro-Rechner den Output per Emulation, einem FPGA oder mit dedizierten Bausteinen erzeugt. Wichtig ist halt, dass da nichts ruckelt oder "laggt" und sich halt alles "nativ" anfühlt. Unter den gegebenen Lösungen wäre ich wahrscheinlich am ehesten für eine FPGA-Lösung zu haben – aber wie gesagt, letztlich kommt es darauf an, wie es sich anfühlt. Emulation hat den Nachteil, dass alles etwas beliebig wirkt und es quasi auf jeder Hardware laufen könnte. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das nachteilig auf die Akzeptanz auswirkt, weil es einem nicht "echt" genug vorkommt.
Fähigkeiten:
CPU: Es sollte halt vom Feeling her ein (leistungsfähiger) 8-Bit-Computer sein. Aber muss es dafür ein waschechter 8-Bitter sein? Bei 2 der 3 genannten Retro-Rechner soll der 6502-kompatible (aber 16-bittige) 65816 zum Einsatz kommen. Ich finde die Wahl sehr gut. Andere würde vielleicht was Z80-kompatibles bevorzugen aber ich bin halt ein 6502-Kind. Bei FPGA oder Emulation könnte man auch ohne große Kostenprobleme Hybrid-Lösungen erdenken, bei denen zwischen verschiedenen CPUs umgeschaltet werden kann – ähnlich Apple IIe oder C128 aber vielleicht noch stärker ineinandergreifend. Fiele die Wahl auf den 65816, könnte man natürlich gucken, ob man die dafür existierende Software (SNES oder Apple IIGS) lauffähig bekommt, quasi als Einstiegshilfe, solange es noch keine neue Software gibt (die es ja vielleicht auch nie geben wird). Bei der Taktfrequenz gäbe es auch noch einiges zu klären. Beim IIGS lief die CPU mit 2.8 MHz, im SNES mit 3.6 MHz in der SuperCPU mit 20 MHz. Ich würde vielleicht auf 8 bis max. 16 MHz plädieren. Der Rechner sollte aber schnell genug sein, dass man in einer Hochsprache duchaus brauchbare Software schreiben kann und dafür nicht automatisch zu Assembler greifen muss.
Grafik: Ganz schwierig und für mich oft der Showstopper bei den kommenden Retro-Rechnern. Um authentisch zu wirken und auch, um eine Herausforderung für die Pixelkünstler zu sein, darf man die Leistung nicht zu hoch schrauben. Meines Erachtens darf so ein Retro-Computer im 8-Bit-Stil die 16-Bit-Rechner von damals™ nicht überflügeln. Das heißt konkret: bei 640 Pixeln Breite muss Schluss sein. Vertikal sogar bei 200 oder 256 Pixeln. In typischen Spielmodi müssten 320 Pixel horizontal ausreichend sein. Bei den Farben: Eine Palette von 4096 Farben mit sehr eingeschränkter Nutzung? Oder sogar eine feste Palette von 256 oder weniger Farben. Z.B. 64 Farben wäre schon ein riesiger Unterschied zum C64. Nur weil damals ein C65-Prototyp (allerdings erst 1991) vielleicht schon mehr konnte, muss man dem ja nicht folgen – "unsere Kiste" ist ohnehin ein Fantasie-Rechner (der gedanklich von 1985 stammen könnte). Dediziertes Video-RAM könnte weitere Einschränkungen bei gleichzeitig darstellbaren Farben vs. Auflösung bringen. Sprites finde ich ein Muss, Scrolling auch. 3D sollte man vielleicht besser nicht explizit unterstützen.
Sound: Da bin ich gewiss kein Fachmann. Ich würd da einfach mal sagen: Ensoniq ES-5503
RAM: Der kostet heute nicht mehr viel Geld und der 65816 kann z.B. 16 MB adressieren. Ich würde aber aber auf 2 oder 4 MB setzen, zu viel bringt hier auch nichts.
Schnittstellen: Würde ich Legacy-Schnittstellen unterstützen? Eher nicht. Ich glaube nicht, dass man an so einen Rechner einen alten Paralleldrucker anschließen will und auch keine Datasette oder 1541. Alles, was es an alter Software gibt (wenn man dazu überhaupt kompatibel sein will), ist längst auf modernen Medien (oder medienlos) zu bekommen. Uralte Maus/Keyboard-Schnittstellen? Warum? soll das das Retro-Feeling verbessern? Ich würde sagen, der Rechner könnte eine kleine Kiste sein, mit einem leicht erreichbaren Einschalter und SD-Card-Slot vorne. Joystick-Ports? Da kann man wieder streiten, ob 2 reichen oder besser gleich 4. Da würde ich doch fast sagen: nehmen wir Bluetooth und unterstützen wir meinetwegen bis zu 8 Joysticks, wenn ein Spiel das will. Das kostet keinen Platz auf der Platine und keine zusätzlichen Bauteile oder Gehäuse-Öffnungen. Ein Hurra für Multiplayer-Games im Wohnzimmer – ganz ohne Kabelsalat, egal wo man sitzt. Keyboard und Maus dann auch über USB oder Bluetooth. Damit hätten wir dann auf der Rückseite nur einen Anschluss für Strom (Micro-USB, weil man dann das Netzteil auch weglassen kann), 4x USB-A für diverse Geräte, Audio-Klinke und einen Monitor/TV-Anschluss (Mini-DVI, HDMI oder was anderes verbreitetes).
Interface: Mir gefällt die Idee vom 8-Bit-Guy (und anderen), dass der Retro-Computer sofort nach dem Einschalten in eine Programmierumgebung springen soll – das kennt man einfach von den alten Homecomputern. Ein GUI wäre hier fehl am Platz, weil es um das "alte Feeling" geht. Bei einem echten alten Computer sähe das für mich anders aus – da versucht man das Maximum herauszuholen und will vielleicht auch die Neuzeit auf die alten Kisten bringen. Bei einem Retro-Computer ist das nicht der Fall – der kommt schon aus der Neuzeit und tut nur so, als sei er alt. Im Gegensatz zum 8-Bit-Guy würde ich aber nicht versuchen, ein bestimmtes altes BASIC zu verwenden. BASIC an sich wäre OK, PASCAL fände ich aber ebenso gut geeignet. Wenn man das ganze aus einer didaktischen Sicht betrachtet, sollte der Rechner nicht zu einem schlechten Programmierstil auffordern, von daher sollte man vielleicht auf Zeilennummern und GoTos verzichten, vielleicht lässt man sie aber auch drin und empfiehlt einfach nur modernere Konstrukte. Auf jeden Fall muss der Einstieg so einfach wie möglich bleiben, denn das ist aus meiner Sicht eine Kernfunktion des Retro-Rechners. Im Gegensatz zum C64 würde ich für einen Volltext-Editor plädieren, bei dem man sich frei im Quelltext bewegen kann und automatisch hoch- und runtergescrollt wird. Mit einer Taste, wie Run/Stop, könnte man aus dem Editor in den Direkteingabe-Modus springen, in dem man dann z.B. RUN eingeben kann, um das Programm zu starten. Mit LIST käme man wieder in den Editor. Aus Performance-Gründen könnte der Quelltext vielleicht optional in eine Art Zwischencode übersetzt werden (wie das früher bei PASCAL der Fall war).
Das sind natürlich alles nur ein paar einzelne Eckpunkte, die grob einen Rahmen abstecken würden. Aus den paar Infos könnte wahrscheinlich niemand einen Rechner konzipieren – aber über Bussysteme etc. weiß ich halt nicht viel. Aber darum geht es in einem ersten Schritt ja auch gar nicht, sondern darum, erst einmal zu gucken, was es so für Ideen und Vorstellungen gibt und ob die teilweise vielleicht sogar recht deckungsgleich wären. Wenn man sich anguckt, wie schnell die Stefany ihren C256Foenix hochzieht (und der 8-Bit-Guy helfende Hände findet), könnte aus einem forumsgeborenen Luftschloss ja vielleicht sogar Realität werden, wenn es auf begeisterte Hardware-Architekten träfe. Aber erstmal: rumspinnen ....