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letzter Beitrag von Korodny am

C64 als Business-Rechner in den 80'ern

  • Ich weiß nicht wieso, aber mich treibt dieses Thema gerade um. Mein Vater war damals Chef einer Sauerkonservenfabrik und hat sich so ca. um 1983/84 bzgl. Mikrocomputern informiert. Die Technik im Betrieb war damals recht veraltet. Man schrieb z.B. noch auf Lochkarten. Schnell und einfach programmierbare Computer waren auch damals noch etwas ganz Neues und Besonderes. Er hat diverse Systeme ausprobiert - darunter auch den C64. Ich erinnere mich noch, damals zum ersten Mal Int. Soccer gesehen zu haben. Leider hatten wir keinen Joystick. Naja, egal. Zum Thema: er hat sich dann für den IBM-PC entschieden, wie so viele Betriebe in der damaligen Zeit. Ausschlaggebend waren sicherlich die folgenden Punkte:

    1. Der PC hatte 80 Spalten - der C64 nur 40
    2. Der PC mutete wertiger an
    3. Der PC hatte eine ergonomische Tastatur
    4. Psychologie

    Zu Punkt 4 muss ich wohl noch etwas sagen. Damals war man an schwere und große Rechenmaschinen gewöhnt. Der PC passte wunderbar in dieses Schema. Im Gegensatz zum leichten, schepperigen C64 war das ein sehr solides Gerät und hat so wahrscheinlich viel seriöser auf die Entscheidungspersonen gewirkt. Es ging schließlich um große Investitionen und da hat man dem PC als Laie sicherlich mehr (zu)getraut. Natürlich darf man auch nicht verschweigen, dass der PC eine 16-Bit-Maschine war und deshalb mehr Potential hatte. Aber in Firmen wollte man ja ohnehin keine High-End-Spiele spielen.


    Dennoch denke ich, dass man bei Commodore hätte reagieren können. Z.B hätte man das Gerät noch flacher machen und eine ordentliche Tastatur wie die des C128 einbauen können. Der Computer wäre sicherlich teurer geworden, aber immer noch um Längen billiger als ein IBM-PC. Zudem hätte man Business-Software entwickeln (lassen) können, die mit 80 Spalten daher kommt. Spreadsheet und Textverarbeitung - eine C64-Office-Suite sozusagen. Dazu noch ein ordentliches Betriebssystem, und das Teil wäre für Betriebe viel attraktiver gewesen. Vor allem wegen des günstigen Preises hätten vielleicht viele Firmen zugeschlagen.


    Ich weiß, es gab GEOS, aber das kam erst 1986 heraus. Ich rede explizit über die Zeit 1982-84, in der sich vieles entschieden hat. Außerdem finde ich, dass auch GEOS eher wie eine Spielerei anmutet. Ist zwar toll, dass sowas geht, aber ein seriöser Geschäftsmann will schön unter- und nebeneinander aufgereihte Zahlen sehen. Die GEOS-Fonts geben das nicht her bzw sind auch zu breit.


    Was denkt ihr darüber?

  • Bei Deinen Gedankngängen solltest Du aber auch bedenken, dass der C64 eben ein HOME Computer war. Der war ertmal fürs Wohnzimmer bzw heimische Büro konzipiert.
    Alleine ein MS-DOS war schon von der Basis ganz andersim Anspruch, als ein C64 der ins Basic Startete.
    Als direkten Konkurrenten zum PC sehe ich eher die CBM Kisten, welche ja durchaus auch sehr Massiv waren und je nach modell auch 80 zeichen boten, oder dann zu späterem Zeitpunkt die Amigas im richtigen gehäuse (Der 500er war ja auch für de Consumermarkt konzipiert worden).


    Gruß C-Man

  • Als direkten Konkurrenten zum PC sehe ich eher die CBM Kisten, welche ja durchaus auch sehr Massiv waren und je nach modell auch 80 zeichen boten

    Richtig, doch völlig anders noch als beim VC-20 hat Commodore keine eigene Software dafür erstellt und sich auch nicht darum gekümmert. Das war sicher ein Grund warum die CBM-II-Serie gescheitert ist.

  • Das hat Commodore ja bei den meisten seiner Systeme verpennt.


    Wobei ja selbst die Commodore eigene Software für den VC20 eher mäßig war. Selbes gilt für das bisshen C64 Software.

    Heute würde man sich vermutlich einen Partner aus der Softwarebranche suchen, der ein paar Potente Programme entwickelt, die es dann schon zum Systemlaunch auf dem markt gibt. Aber damals waren viele Erfahrungen einfach noch nicht gemacht, war es doch noch garnicht so lange her, als Großrechner einfach selbst von Spezialfirmen bedarfsorientiert Programmiert wurden.

  • Bei Deinen Gedankngängen solltest Du aber auch bedenken, dass der C64 eben ein HOME Computer war. Der war ertmal fürs Wohnzimmer bzw heimische Büro konzipiert.
    Alleine ein MS-DOS war schon von der Basis ganz andersim Anspruch, als ein C64 der ins Basic Startete.
    Als direkten Konkurrenten zum PC sehe ich eher die CBM Kisten, welche ja durchaus auch sehr Massiv waren und je nach modell auch 80 zeichen boten, oder dann zu späterem Zeitpunkt die Amigas im richtigen gehäuse (Der 500er war ja auch für de Consumermarkt konzipiert worden).

    Ist mir schon klar, dass der C64 als Homecomputer gedacht war. Das ist mir aber egal. ;-) Es geht mir darum, dass der Computer auch als Business-Computer hätte genutzt werden können, hätte man die richtige Software dafür geschrieben. Auch möchte ich daran erinnern, dass auch der PC erstmal sein DOS von Diskette laden musste. Die ersten hatten meines Wissens nach nämlich noch keine Festplatten. Genauso hätte man es auch beim C64 machen können. Dazu dann noch BASIC-ROM und Kernal rausmappen, um mehr Speicher zu haben. Die kleinste Variante des PC hatte beim Launch 16K. Da lacht der C64 drüber.


    Die Computer der CBM-Reihe waren aber sicher viel, viel teurer. Ich betone nochmal, dass der große Vorteil des C64 sein Preis war.


    EDIT: Mir ist aber noch ein wirklich entscheidender Nachteil des C64 als Office-Computer bewusst geworden: die fehlende NumKey-Tasten. Die waren beim Eingeben von Zahlen bei der Büroarbeit natürlich essentiell. Aber die hätte man ja auch noch irgendwie hinzufügen können.

  • Ich denke, dass der C64 als Heimcomputer dafür einfach nicht konzipiert war, und daher wurde weder beim Marketing noch bei der Software viel Wert darauf gelegt. Dass er es trotzdem kann, zeigt dann spätere Software wie GEOS. Aber da war es dann wohl etwas zu spät, um dem C64 noch ein neues Image zu verpassen.

    Die "seriösen" Arbeitscomputer sollten ja die bereits genannten CBM sein. Aber da war Commodore in Sachen Software vielleicht nicht aggressiv genug, oder man hat beim Marketing gepennt. Wahrscheinlich beides. Bei Heimcomputern hatte man jedenfalls viel mehr Erfolg, und das könnte dann auch wieder ein Grund gewesen sein. Irgendwann war vielleicht Commodores Image zu sehr darauf festgelegt. Jedenfalls erinnere ich mich, dass der Name Commodore irgendwann nur noch mit Spielekisten in Verbindung gebracht wurde. Auch der Amiga konnte sich davon nicht mehr befreien, obwohl der nun wirklich das Potential hatte.

  • Dass er es trotzdem kann, zeigt dann spätere Software wie GEOS.

    GEOS zeigt noch viel mehr. Ich möchte daran erinnern, dass die PCs früher ausschließlich kommandozeilenorientiert waren. An grafische Oberflächen war noch nicht zu denken. Auf was ich hinaus will ist lediglich, dass man einen C64 im C128 Gehäuse sehr gut als Büromaschine hätte nutzen können -- mit der richtigen Software. Kein GEOS - einfach sozusagen ein MS-DOS für den C64 mit Office-Programmen.


    Mit dem Spielkonsolen-Ruf gebe ich dir vollkommen recht und denke, das ist einfach das Ergebnis daraus, dass man bei Commodore ordentlich was verpennt hat.

  • Dennoch denke ich, dass man bei Commodore hätte reagieren können. Z.B hätte man das Gerät noch flacher machen und eine ordentliche Tastatur wie die des C128 einbauen können. Der Computer wäre sicherlich teurer geworden, aber immer noch um Längen billiger als ein IBM-PC. Zudem hätte man Business-Software entwickeln (lassen) können, die mit 80 Spalten daher kommt. Spreadsheet und Textverarbeitung - eine C64-Office-Suite sozusagen. Dazu noch ein ordentliches Betriebssystem, und das Teil wäre für Betriebe viel attraktiver gewesen. Vor allem wegen des günstigen Preises hätten vielleicht viele Firmen zugeschlagen.

    Nö. Firmen wollen es nicht einfach nur günstig. Die wollen, dass die Software zur Verfügung steht, die sie benötigen. Und dass das Büropersonal nicht nach 3 Stunden mit Kopfschmerzen nach Hause geht.

    Bei der Software waren die Standards Programme wie Wordstar, dBase, später dann Word und Multiplan. Das hätte Commodore alles nachentwickeln sollen?


    Mit dem Ruf hat das wenig zu tun. Die Commodore PCs wurden ganz selbstverständlich in Büros eingesetzt.

  • Ich glaube der psychologische Faktor war damals ausschlaggebend. Für kleinere Geschäfte waren Computer noch sehr neu und niemand wollte aufs falsche Pferd setzen. IBM war durch seine Schreibmaschinen und Großrechner im professionellen Bereich bekannt und angesehen. Und der 15kg Metallklotz IBM XT hat nun einmal einen enormen Eindruck von Solidität hinterlassen. Erst als die Unternehmen dann an Computer gewöhnt waren, wurde ja in den 90ern schnell Preis das ausschlaggebende Kriterium.

  • Hier muss man m.E. zwischen Commodore in den Staaten und Commodore Deutschland unterscheiden. Die deutsche Niederlassung hat ja durchaus erfolgreich Computer an Bildungseinrichtungen und Firmen vermarktet: zunächst die ursprünglichen PETs, später dann PCs - die ja ausdrücklich in Deutschland entwickelt wurden, um den Bedarf nach einem Nachfolger für die PETs zu decken. Und auch um Software hat man sich bemüht.


    Die Amerikanische Gesellschaft hatte dagegen keinerlei Interesse an so etwas, Tramiel - der dort das Sagen hatte - wollte ausschließlich in den Consumer-Markt. Entsprechend hat man auch den ersten PET-Nachfolger verworfen und stattdessen den VIC-20 entwickelt.


    Warum Commodore Deutschland den C64 nicht entsprechend zu vermarkten versucht hat, kann man nur spekulieren. Ich würde sagen, es ist ein Mix aus mehreren Gründen:

    • die bereits erwähnte "Psychologie" - der C64 ist ein Consumer-Produkt, da werden die Laien in der Chefetage potentieller Abnehmer misstrauisch gewesen sein
    • keine (Software-) Unterstützung aus den USA
    • bis der C64 sich etabliert hatte bzw. entsprechende Software verfügbar war, war das Rennen schon zugunsten von DOS gelaufen
    • in wesentlichen Punkten (Disk-Kapazität, Floppy-Speed, Zeichen/Zeile...) war der C64 im Vergleich zum PET ein Rückschritt. Viele Vorteile (Grafik, Sound etc.) waren dagegen für einen Business-Rechner egal oder gar hinderlich - s.o. "Psychologie".
    • geschlossenes System (nur ein Anbieter) gegenüber dem (unfreiwillig) offenen PC-Lager bedeutet mehr unternehmerisches Risiko, und es bedeutet dass es deutlich weniger Drittfirmen gibt, die Support anbieten
    • ...
  • Dennoch denke ich, dass man bei Commodore hätte reagieren können. Z.B hätte man das Gerät noch flacher machen und eine ordentliche Tastatur wie die des C128 einbauen können. Der Computer wäre sicherlich teurer geworden, aber immer noch um Längen billiger als ein IBM-PC. Zudem hätte man Business-Software entwickeln (lassen) können, die mit 80 Spalten daher kommt. Spreadsheet und Textverarbeitung - eine C64-Office-Suite sozusagen. Dazu noch ein ordentliches Betriebssystem, und das Teil wäre für Betriebe viel attraktiver gewesen. Vor allem wegen des günstigen Preises hätten vielleicht viele Firmen zugeschlagen.

    Nö. Firmen wollen es nicht einfach nur günstig. Die wollen, dass die Software zur Verfügung steht, die sie benötigen. Und dass das Büropersonal nicht nach 3 Stunden mit Kopfschmerzen nach Hause geht.

    Bei der Software waren die Standards Programme wie Wordstar, dBase, später dann Word und Multiplan. Das hätte Commodore alles nachentwickeln sollen?

    Genau das meine ich. So schwer wäre es nicht gewesen, sowas wie WordStar oder VisiCalc zu programmieren. Erfahrene Coder hätten das in einer Woche hingezimmert.

  • Ich glaube der psychologische Faktor war damals ausschlaggebend. Für kleinere Geschäfte waren Computer noch sehr neu und niemand wollte aufs falsche Pferd setzen. IBM war durch seine Schreibmaschinen und Großrechner im professionellen Bereich bekannt und angesehen. Und der 15kg Metallklotz IBM XT hat nun einmal einen enormen Eindruck von Solidität hinterlassen. Erst als die Unternehmen dann an Computer gewöhnt waren, wurde ja in den 90ern schnell Preis das ausschlaggebende Kriterium.

    Nochmal nö. Ich habe damals PCs verkauft und so war das nicht. Geschäftskunden kauften PCs nicht auf Verdacht und in der Hoffnung, auf's richtige Pferd zu setzen. Das ist die Denke von Privatpersonen. Die Geschäftskunden haben ganz konkrete Anforderungen, was sie mit dem PC machen wollen und was er leisten muss.


    Das nächste Problem sind die Händler. Der Geschäftskunde kauft nicht im Kaufhaus in der Spielzeugabteilung. Er kauft beim Händler, der ihn berät und ihm das passende Gerät und die passende Software verkauft, die Anlage installiert, das Personal einweist und bei Probleme sofort zur Stelle ist. Für PCs gab es haufenweise Händler, die das mehr oder weniger gut geleistet haben.

  • [...]

    Toller Beitrag! Dankeschön. Du hast einige Punkte aufgeführt, dich ich noch nicht bedacht hatte. Eines will ich aber einwenden. In der von mir angepeilten Zeitspanne ('82-'84) gab es noch nicht wirklich viele Dritthersteller. Tatsächlich habe ich gerade gelesen, dass ein mit ausschlaggebender Grund von PC-Käufern der IBM-Support war. Aber wahrscheinlich hätte Commodore einen solchen in dem Umfang gar nicht leisten können.

  • Geschäftskunden kauften PCs nicht auf Verdacht und in der Hoffnung, auf's richtige Pferd zu setzen. Das ist die Denke von Privatpersonen.

    Naja, das beobachte ich aber heute beim Kauf von Unternehmenssoftware nach wie vor sehr häufig. Lieber mal nehmen, was alle anderen auch haben, nicht dass man sich in eine Sackgasse manövriert. Und das finde ich sogar sehr nachvollziehbar. Ob und wie das allerdings auf Hardware in den 80ern übertragbar ist weiß ich in der Tat nicht aus eigener Erfahrung.

  • Ich glaube der psychologische Faktor war damals ausschlaggebend. Für kleinere Geschäfte waren Computer noch sehr neu und niemand wollte aufs falsche Pferd setzen. IBM war durch seine Schreibmaschinen und Großrechner im professionellen Bereich bekannt und angesehen. Und der 15kg Metallklotz IBM XT hat nun einmal einen enormen Eindruck von Solidität hinterlassen. Erst als die Unternehmen dann an Computer gewöhnt waren, wurde ja in den 90ern schnell Preis das ausschlaggebende Kriterium.

    Nochmal nö. Ich habe damals PCs verkauft und so war das nicht. Geschäftskunden kauften PCs nicht auf Verdacht und in der Hoffnung, auf's richtige Pferd zu setzen.

    Genau das hat Claus ja auch nicht gemeint. Du musst da schon genauer lesen. Er meinte, dass man sich früher noch nicht so auskannte und daher gerade nicht auf Verdacht kaufte, sondern sich vorher tausendfach absichern wollte. Und der Name IBM war für viele wohl eine gewisse Absicherung.

  • Nochmal nö. Ich habe damals PCs verkauft und so war das nicht. Geschäftskunden kauften PCs nicht auf Verdacht und in der Hoffnung, auf's richtige Pferd zu setzen.

    Genau das hat Claus ja auch nicht gemeint. Du musst da schon genauer lesen. Er meinte, dass man sich früher noch nicht so auskannte und daher gerade nicht auf Verdacht kaufte, sondern sich vorher tausendfach absichern wollte. Und der Name IBM war für viele wohl eine gewisse Absicherung.

    Es wurden ja gar nicht die IBM-PCs gekauft. Die waren den meisten viel zu teuer. Es wurden PC-kompatible gekauft.

    Die IBM-PCs standen vor allem in den großen Unternehmen, aber nicht bei den vielen kleinen und mittleren Unternehmen.

  • Es wurden ja gar nicht die IBM-PCs gekauft. Die waren den meisten viel zu teuer. Es wurden PC-kompatible gekauft.

    Die IBM-PCs standen vor allem in den großen Unternehmen, aber nicht bei den vielen kleinen und mittleren Unternehmen.

    Da hast du schon recht. Aber in der Zeit von '82 bis '84 gab es noch recht wenige davon, will ich meinen.

  • Wobei man dazu sagen muss, es wurden "IBM-kompatible" gekauft. Die wurden auch so beworben, selbst wenn sie nicht von IBM waren. Der Name IBM und dessen Ruf spielte da ganz sicher eine Rolle. Ich denke man kaufte da nicht so sehr den Commodore-PC, sondern man kaufte einen günstigen IBM-Kompatiblen, der halt zufällig von Commodore war. ;)