Ein kleiner Reparaturbericht
Vor kurzem habe ich einen VIC20CR-PAL mit offenbar deutscher Vergangenheit erstanden. Da er ohne Tastatur kam, könnte das eine mit orangenen F-Tasten gewesen sein, die der Verkäufer behalten oder getrennt verkauft hat. Die (verlöteten) Chips sind Ende 1982 bis Mitte 1983 hergestellt und die QC-Marke ist bei 36/83 markiert. Seriennummer Gehäuse und Board passen nicht zusammen, wobei ich auch nicht weiß, ob das überhaupt so sein sollte. Der VIC ist zwar von Anfang 1984, müsste also einer der letzten gewesen sein, kann aber später ersetzt worden sein, oder, wie auch alle anderen gesockelten Chips, aus einem oder mehreren anderen Geräten stammen könnten. Besonders die beiden großen RAMs sind unterschiedliche Marken, was nach Austausch und evtl. Reparaturversuchen (erstmal alles tauschen, was in Fassungen steckt) aussieht.
Das Board war als defekt angeboten und somit hatte ich auch keine großen Erwartungen. Es sollte je nach Zustand im schlimmsten Fall als Spenderboard oder als Grundlage für einen Neuaufbau mit Teilen aus den beiden anderen defekten Boards in meinem Fundus dienen. Der Preis war auch ok (ich hatte sogar mehr geboten), also ohne übertriebene Vorsicht ran an die Sache!
Erste Schritte
Erstmal alle gesockelten Custom-Chips (CPU, VIAs und ROMs) raus und nach erster Prüfung auf offensichtliche Kurzschlüsse mit dem Elektrizitätswerk verbunden. Kein Qualm, kein Knistern, stabile 5V. Also CPU und ROMs wieder rein und neuer Versuch. Die Spannung bleibt stabil. Auch die für die Datasette, die über CR2 aus den 9V~ vom Netzteil gewonnen wird, an die ich jetzt erst gedacht hatte, die aber erstmal nicht so wichtig sind. Datasette hab ich jetzt gar nicht zur Hand. Aber der dicke C39 drängt sich ja förmlich auf, wie er da so auffällig unauffällig in der Ecke lungert.
Nächster Schritt: Monitor anschließen. Schalter umgelegt - gar nichts. Ach ja, meinem Netzteil hatte ich ja einen Schalter verpasst. Nicht das erste und ganz sicher nicht das letzte Mal, dass ich kurz erschrecke.
Alle Unterbrechungen beseitigt, meldet sich der Monitor mit einem klassischen Black Screen. Bei einem Dell-Monitor mit angeschlossener Soundbar schaltet sich diese ein (leiser Knack) und die LED leuchtet, sobald ein Bildsignal anliegt. Sehr praktisch, denn man muss nicht auf den Monitor sehen und kann stattdessem z.B. das Multimeter im Auge behalten.
Fehlersuche
Die Liste mit möglichen Ursachen und Verursachern (Ray Carlsen - VIC20 Diagnostics and Repair) ist lang. Dass der VIC überhaupt reagiert, ist aber schon mal ein gutes Zeichen. Den hätte ich vermutlich nicht ersetzen wollen. Der letzte Preis, den ich gesehen habe aus vertrauenswürdiger Quelle überstieg den Gesamtpreis für das Board mit Gehäuse. Es soll günstig bleiben.
Warum also nicht besser erstmal mit einem möglichst kleinen Teil anfangen?
Der 555 (UB6) erzeugt beim Einschalten das Reset-Signal, in dem er über einen Inverter den RESET-Pin der CPU bzw. die gesamte RESET-Leitung kurz auf LOW zieht, danach auf HIGH und dort über den Pullup R26 lässt. Also müssten an Pin 40 der CPU nach dem Einschalten 0V (lt. Datenblatt jedenfalls unter 0.4V) und kurz danach 5V (resp. mind. 2.4V) anliegen. Spannungsmesser Pin 40 geklemmt und eingeschaltet. 0 Volt und dabei blieb es. Hmm.
Also direkt am 555 messen. Vor dem Inverter an Pin 3 müsste es genau umgekehrt zu sehen sein: erst 5V, dann 0V. Siehe da, der Kleine macht, was er soll. Auch der 7406 (UB4) erfüllt seine Aufgabe. Das Signal wird korrekt bei jedem Einschalten erzeugt. Ganz in der Nähe ist die SERIAL-Buchse:
An deren Pin 6 liegt RESET an und dieser Pin ist bei der Printbuchse hinten der freiliegende oder vielmehr freistehende Kontakt, so dass man nichts umständlich in die Buchse fummeln muss und die Messspitze einfach "von hinten" dranhalten kann. Auch da kommt RESET an - eine evtl. angeschlossene Floppy würde sich also wie erwartet bemerkbar machen, wenn man z.B. gerade nichts zum Messen zur Hand hat.
Den USERPORT (PIN 3, dritter von rechts) und den EXPANSIONSPORT (Pin X, hintere/untere Reihe, der dritte von links) noch überprüft,
auch da kommt alles an. Dem Schaltplan (251027-01, Link, ist zwar für das NTSC-Modell, bis auf Takterzeugung und ein paar Teilenummern aber identisch) lässt sich entnehmen, dass das RESET-Signal auch noch an den VIAs anliegt (UAB1 und UAB3, jeweils Pin 34). Fast schon enttäuschend war auch da alles, wo es ein soll.
Warum also nicht an der CPU? Nochmal gemessen und nochmal, schon um Messfehler meinerseits auszuschließen, aber ohne Änderung. Dabei fiel mir auf, dass - egal wo sonst gemessen - der LOW-Pegel 0.1V, nur an der CPU 0.0xV, teilweise sogar 0.00xV betrug, was ja auch bedeuten könnte, dass ich gar nicht richtig am Pin dran bin. Oder auch am falschen. Alles schon passiert. Aber nachdem ich das ausgeschlossen habe, konnte es nurmehr eins bedeuten: Da ist eine Unterbrechung irgendwo!
Von der CPU lässt sich auf der Oberseite der Weg der Leiterbahn Richtung 555 ganz gut verfolgen. Erster Wechsel zur Unterseite ist die Durchkontaktierung zwischen U13 und UC4.
Da die blank ist, kann man dort erstmal ohne die Lötstoppmaske irgendwo abkratzen zu müssen, einfach messen. Auch an der Stelle liegt das RESET-Signal ordnungsgemäß an. Die Unterbrechung muss also zwischen diesem Punkt und Pin 40 der CPU sein. Ist ja nur ein relativ kurzes Stück. Bisher war ich zu faul, das Board aus dem Gehäuse zu nehmen, auch weil es im Gehäuseunterteil verschraubt einfach stabiler liegt. Aber vielleicht war es ja tatsächlich nur so ein simpler Fehler. Also lohnt sich der "Aufwand", die Schrauben zu lösen.
Nach dem Umdrehen war erkennbar, dass es bereits mal Kontakte mit Lötwerkzeug gegeben haben muss. Flussmittelreste um ein paar Fassungen, wo offenbar (nach)gelötet wurde, aber sonst nichts offensichtlich Vermurkstes. Pin 40 der CPU (Pfeil) sieht allerdings recht gut aus, jedenfalls keine kalte Lötstelle oder fehlendes Lötzinn. Da wirken Pins auf den Bildern (und auch in natura) wie gar nicht verlötet. Das ist aber nur das Licht.
Allerding besteht von diesem Pin kein Kontakt zum Rest der Schaltung. Von unten nach oben schon, also der Kontakt der Fassung an sich ist ganz, aber auch von unten gibt es keinen Kontakt zur Durchkontaktierung oder sonst irgendwo hin. Die Fassung löte ich nicht aus, nöö! Aber es kann eigentlich nur das Lötpad direkt unter der Fassung bzw. die Durchkontaktierung, in der der Pin steckt irgendwie getrennt worden sein.
Provisorische Lösung: Jumperkabel anklipsen. Direkt von der Quelle (FB17 bietet sich an, im Schaltplanfälschlich als FB7 bezeichnet) zum Reset-Pin der CPU.
Nun kommt RESET auch dort an. Überall sonst auch noch. Sehr schön. Aber: weiterhin Black Screen.
Teiletausch
Weil die CPU nicht eingelötet ist, war das Einfachste, sie in einem anderen, funktionierenden Board auf (grundsätzliche) Funktion zu überprüfen. Das ist zwar ein NTSC-Modell, die CPU ist aber gleich. Bild, Cursor, Farben, Tastatureingaben - alles da, alles funktioniert. Es kann natürlich trotzdem ein bizarrer Teildefekt vorliegen. Aber ohne Wärmebildkamera und 'awesome scope skillz' (und vor allem ohne Scope) mache ich mich gar nicht erst auf die Suche danach. Die Messbilder sieht sich eh niemand an.
Nicht lang grübeln, Einschaltmeldung ist (erstmal) das Ziel!
Wenn die Fassung der CPU evtl. nachgerüstet und beim Auslöten vielleicht das Pad beschädigt oder sogar komplett abgerissen wurde, ist das vielleicht auch bei den anderen Pins mit Lötspuren passiert? Am naheliegendsten (auch im wörtlichen Sinne) ist die KERNAL-Fassung. Ohne KERNAL kein Bild. Also alle 24 Pins "durchklingeln", ob alles noch so verbunden ist, wie es die Entwickler der Schaltung vorgesehen haben. Dabei am besten mit eingesetztem Chip dessen Beinchen als Messpunkt nutzen und dabei so wenig Druck wie möglich ausüben, um eventuelle Kontaktschwierigkeiten durch Oxidation der Fassungskontakte und/oder Haarrisse in Fassungsnähe gleich "mitzumessen". Vergoldete Messspitzen sind dafür nicht verkehrt.
Wo man anfängt, ist fast egal, es ist sowieso der letzte Pin, den man prüft, wenn überhaupt einer. Praktikabel erscheint natürlich mit der 1 anzufangen und eine Runde rumzugehen. Da ich aber den VIC20 überhaupt nicht (den C64 auch nicht auswendig) kenne, gehe ich nach Plan, in dem Fall nach Schaltplan vor.
KERNAL (UE12) beginnt links oben mit CA0 an Pin 8 und geht schön durcheinander weiter. Da ich aber die andere Seite, also die Stelle(n), bis wohin der jeweilige KERNAL-Pin verbunden sein sollte, auch bloß suchen muss, ist das halb so wild. CA0 bis CA15 sind die 16 Adressleitungen A0-A15, die von der CPU kommen (daher das C davor). Also Pin für Pin im "soft touch" die Verbindung zur CPU gemessen und weil es so schön war auch gleich zu allen anderen Chips, die mit am CAx-Bus hängen (UC5, UC6, UD8, UE8, UE10, UAB1, UAB2) und zum Expansionsport, und für den Datenbus CD0-CD7 entsprechend (zzgl. UF8) das gleiche Prozedere. Alles da, soweit, so gut.
Chip Select (/CS) hat zumindest elektrisch Verbindung zu den dazugehörigen Stellen, jedenfalls fällt nichts durch Unterbrechung auf. Da das BASIC-ROM direkt parallel an beiden Bussen hängt, kann man bei der Gelegenheit auch dort alles auf Durchgang messen, wobei dann einfach Pin 1 mit Pin 1, Pin 2 mit Pin 2 usw. (bis auf /CS an Pin 20) mit der benachbarten Fassung "klingeln" muss. Das geht schön schnell und ohne nochmal die anderen Stellen suchen zu müssen. Ich hab es später gemacht, sei hier aber für Nachahmer erwähnt. Ist ein Abwasch.
Masse ist auch vorhanden, bleibt nur noch Vcc an Pin 24 und wer ahnt es schon? Natürlich ist dort die Unterbrechung! Also tatsächlich egal, wie ich angefangen hätte, es war der letzte.
(wegen Beschränkung der Bilder weiter im nächsten Teil)