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letzter Beitrag von Saskia am

Batterieschaden-Sanierung

  • Moin,


    ich dachte mir, ich dokumentiere das mal, vielleicht hilft es jemand. Natürlich können auch andere Platinen saniert werden.


    Es geht um die Sanierung eines Batterieschadens an einer WPC-89-CPU aus einem Hurricane-Flipper.
    Im Prinzip handelt es sich darum um einen Rechner auf Basis eines 6809 mit 2 MHz Takt (extern, daher 6809EB) mit Eprom (dem Flipper-Betriebssystem), statischem Ram (6264), einem ASIC (Williams-spezifisch), einer Switch-Matrix zum Erkennen von Schaltimpulsen, aufgebaut aus LM339 (Komparatoren) und einem ULN2803, einem Bus, der die Servos und Beleuchtung ansteuert (Anschluß mit Power Driver), einem weiteren Bus zur Datenübertragung an das Display, das Audioboard sowie die Flipperansteuerung, sowie einen weiteren Port, über den ein zusätzliches Treiberboard angesteuert werden kann.
    J210 ist der Stromanschluß, das Board nimmt 5 und 12V. 12V werden für die Switch-Matrix benötigt, der Rest arbeitet mit 5V.


    Häufigstes Problem bei diesen Boards sind auslaufende Batterien und damit großflächige Zerstörungen auf dem Board, landläufig als fälschlicherweise als Säureschaden bezeichnet. Bei dem Elektrolyt handelt es sich um Kalilauge (KOH)


    Die ersten Schritte sind:
    Netzstecker ziehen.
    Platine ausbauen
    Batteriefach entfernen (z.B. mit Seitenschneider)
    Lauge neutralisieren (z.B. mit der Essigessenz vom Lidl)
    Platine waschen (z.B. in Ultraschall-Reinigungsflüssigkeit für Elektronik
    betroffene Bauteile (erkennbar an meist blauen Kristallen) freilegen und entfernen.
    Angegriffene Leiterbahnen werden mit Glasfaserstift freigelegt.


    Das Schadensbild (nach Entfernung der meisten Bauteile und Vorbereitung mit Glasfaserstift) sieht in etwa so aus:
    IMG_20180501_190221.jpg
    IMG_20180501_190244.jpg
    zerfressene Lötaugen und Leiterbahnen
    IMG_20180501_190302.jpg
    die Unterseite (auch nicht schön)IMG_20180501_190231.jpgIMG_20180501_190254.jpgIMG_20180501_190312.jpg
    Die Lauge frißt auch unter dem Lack (Bild oben rechts)
    IMG_20180501_204826.jpg
    auch R88 und R89 sind betroffen.






    IMG_20180501_204821.jpg
    angegriffene Lötaugen bei den Widerständen.
    Das macht mißtrauisch. Raus mit den Widerständen.
    An der Färbung des Lacks kann man das Ausmaß des Schadens gut erkennen. Die zwei Leiterbahnen sind offensichtlich angegriffen. Die Lötaugen der weitgehend entlöteten, allerdings nicht entfernten Widerstände sehen ok aus. Hier wäre ein Reflow angemessen.


    IMG_20180506_095311.jpg




    Nächster Schritt:
    Reinigung im Ultraschall. Danach Prüfen der Lötaugen, Durchkontaktierungen und aller Verbindungen auf Durchgang. Das ist zwar mühsam, geht aber nicht anders.
    Gut, wenn man eine Vorlage hat.
    Das unbestückte Board ist ein NOS-Nachbau, das ich in Austin aufgegabelt habe.


    IMG_20180503_010929.jpg
    Fortsetzung folgt.

  • Ach ja: für die, die es interessiert:
    verwendetes Werkzeug:


    Quick 861DW Heißluft
    Amscope 3.5-90 Mikroskop zum Prüfen der Durchkontaktierungen
    Fluke 114 DMM zum Prüfen der Durchkontaktierungen und Leiterbahnen
    Hakko CHP3-SA Pinzette
    Ersa Hand-Entlötpumpe
    Xytronic Seitenschneider (Knippex tut auch)
    ZD-915 Entlötstation (vor dem Wechsel auf Heißluft)
    Xytronic gewinkelte Pinzette zum Entfernen der Molex-Verbinder
    Xytronic LF-8800 Löt/Entlötstation
    10l Ultraschall-Reiniger

  • so. und weiter.
    Ach ja, denkt bitte daran: bei Arbeiten mit dem Glasfaserstift Mundschutz, beim Löten Lötrauchabsaugung. Ist wirklich gesünder.


    Und weiter.


    die Leiterbahnen am LM339 sowie unter den Widerständen sind auffällig.
    IMG_20180506_095311.jpg



    also runter damit
    IMG_20180506_153727.jpg
    ei gucke mal da, da war es tatsächlich unter dem IC am gammeln. Merke: die Lauge kommt überall hin.


    Daher auch das Plaste von den Verbindern runter, und siehe da: auch da war es am Gammeln.


    Aus der Nähe:


    Verfärbte Lötaugen müssen saniert werden, da war Lauge dran. Achtung: sie frißt unter dem Lack.


    IMG_20180506_153738.jpg
    Reparatur der Leiterbahnen:


    Diese extrem dünnen Bahnen kann man nicht kleben. Da wird dann eine Ader Litze verlötet und mit 2k-Kleber fixiert.
    Man beachte die vielen neu genieteten Durchkontaktierungen.


    IMG_20180506_165619.jpg


    Das schon weitgehend reparierte Board.


    IMG_20180506_172309.jpg

  • So. weitestgehend saniert.


    Es fehlen noch ein oder zwei Kondensatoren (z.B. der 100u Elko axial) und eine Induktivität.
    Ansonsten ist das Board wieder fertig.


    Danach geht es natürlich ans Durchmessen und Testen.


    Wenn für gut befunden, wird danach noch lackiert, damit es nicht gammelt.



    IMG_20180506_223637.jpg

  • So. Induktivität und Elko eingelötet.


    Board bootet.
    IMG_20180508_223228.jpg



    Noch die Switch-Matrix bestücken (LM339 x 4, ULN2803), und die Zustände an den Switches messen, und das Board ist wieder einsatzfähig.

  • Vor dieser Batterieschaden-Sanierung habe ich GROßEN RESPEKT! ... also, wer das kann & diese außergewönlichen Fähigkeiten & Erfahrungen hat ... KLASSE!


    Ein guter Computerfreund hat das übrigens auch mal für mich an einem Commodore PC-10 (Batterieschaden) gemacht ... dafür bin ich heute noch sehr dankbar!

  • Mein lieber Mann. Top saubere Arbeit. Eigentlich unbezahlbar.
    Bin aber auch so ein Typ, der immer versucht so etwas zum laufen zu bringen.
    Ich ziehe meinen Hut respektvoll.


    lg
    Rolf

  • Batterieschaden jetzt mit Chips.
    Zum Testen nehm ich übrigens ein Korad KA3305P-Netzteil. Da hab ich 12V und 5V gleichzeitig und seh, wieviel das Teil zieht.


    IMG_20180517_231357.jpg


    Ei gucke da ...
    IMG_20180517_231400.jpg


    Pulst, wie es soll. Auf allen Spalten.


    Muß die Eingänge noch kontrollieren bzw. mal schauen, was die Komparatoren machen.


    Hab ich aber die Nacht keinen Nerv mehr zu.