Hoppla, hier ist ja ein eigener Bereich für PC-Spiele. Da hatte ich meinen Creatures-Beitrag im falschen Unterforum geschrieben. Sei es drum, hier noch ein älterer Spieletest aus meinem Blog zu einem DOS-Spiel mit seltsamem Genre. Es ist zumindest der einzige Vertreter seiner Art, der mir unter DOS bekannt ist. Vielleicht interessiert es ja jemanden, daher auch hier die übliche Frage: kennt es noch jemand? Spielt es noch jemand hier? Hat es schon jemand auf dem C64 umgesetzt?
---------
Ich wollte ja noch ein paar Software-Tipps für sogenannte "alte Computer" im Blog bringen. Werfen wir also mal einen kurzen Blick auf ein japanisch geprägtes Spiel mit geringen Anforderungen an die Hardware, eher undefinierbarem Genre und dem seltsamen und für harte Action-Spieler sicher etwas abschreckenden Titel "Princess Maker 2". Erinnert doch irgendwie an "Barbies rosa Kuscheltierzoo-Manager IV" ;-).
Die Aufgabe des Spielers ist es, die Erziehung einer Adoptivtocher vom zehnten bis zum achtzehnten Lebensjahr zu übernehmen. Dafür gibt es etliche Möglichkeiten wie z.B. Bildung und Unterrichtsfächer, Berufe, erzieherische Tätigkeiten und auch einen "Go adventuring"-Abenteuerteil, in dem man in verschiedenen Welten (Wald, Wasser, Eis und Wüste) diverse Quests lösen kann. Gerade der Abenteuerteil stellt sich dann auch als unerwartet vielschichtig heraus, wirkt er sich doch mit moralischen Entscheidungen und dem Lösen von Aufgaben/Finden von Artefakten auf den Lebensweg der Tochter aus. Diese wird dann am 18. Geburtstag aufgrund ihrer "Erfahrungen" und der daraus entwickelten Werte und Persönlichkeit eine Entscheidung über ihr zukünftiges Leben treffen.
Dem Titel widersprechend gibt es fast 80 verschiedene Schlüsse, den doofen Prinzen zu heiraten ist nur einer davon (wer es unbedingt möchte: er ist der namenlose Offizier, den man jedes Jahr nur im Januar im Schloss antreffen kann). Ansonsten gibt es etliche Möglichkeiten und "Karrieren", darunter auch Berufe wie Krieger, General, Holzfäller etc. Außerdem gibt es auch negative Entwicklungslinien wie kriminelle oder nicht jugendfreie Karrieren. Der größte "Erfolg" auf negativer Seite dürfte glaube ich eine Karriere als Dämonenkönigin der Unterwelt sein. Barbie hat sowas nie gemacht, also doch kein Kuscheltierzoo-Manager .
In Japan sind mehrere Teile erschienen, für den westlichen Markt übersetzt gibt es jedoch nur Teil 2 - und auch dieser ist nie offiziell erschienen, da es schon im Vorfeld zahlreiche Vorbehalte gab und die übersetzende Firma den offiziellen Release schließlich aufgab. Einer der Vorbehalte bezog sich auf den Sexismus im Spiel (den es durchaus gibt), ein anderer darauf, daß man 1995 mit einem DOS-Spiel, das ursprünglich in Japan "schon" 1993 erschienen und nur eine handvoll Megabyte groß ist, den Markt nicht mehr ansprechen konnte. In dem Zeitraum wollte der Markt lieber 3D-Geballer und Action und die Industrie wollte Spiele mit hohen Hardwareanforderungen, um das Aufrüsten weiter anzukurbeln. Es dürfte für einen westlichen Markt auch eher irritierend gewesen sein, daß sich das Spiel gezielt an männliche Spieler wendet, da man nur die Rolle des Adoptiv-Vaters übernehmen kann.
Sicherlich vertritt das Spiel eine fragwürdige Mentalität. Auch wenn man die Chance auf fast 80 Schlüsse hat, liegt die Sympathie des Spieles doch klar bei japanisch-konservativen Tugenden. "Frauliche" Schlüsse und Heirat mit Mutter-Instinkt werden gelobt, Putzen, Kochen und "housework reputation" tauchen als wichtige Charakterattribute auf. Reputation, Trainieren und Gewinnen im Wettbewerb, sozialer Stand und Äußerlichkeiten tragen stark zum Erfolg im Spiel bei. Natürlich gibt es auch wieder eine überzogene Niedlifizierung/Sexualisierung minderjähriger Schutzbefohlener, aber das ist man ja aus der Richtung gewohnt. Die englische Fassung ist dabei um einige (harmlose) Bilder gekürzt, die sich aber per Patch leicht wieder aktivieren lassen.
Trotz dieser (und mehr) Kritikpunkten an der Ideologie hat das Spiel wegen seiner Komplexität einen gewissen Reiz. Was es mir in technischer Hinsicht auch besonders sympathisch macht: es läuft absolut flüssig und problemlos in 640x480 Pixel auf einem 386SX25 - selbst das Scrolling in alle Richtungen in den Abenteuer-Szenen läuft in der hohen Auflösung. Da soll also noch mal jemand sagen, es gibt gar kein flüssig scrollendes Spiel in 640x480 auf einem Untere-Mittelklasse-386er. Man hätte sich mit der flinken, technisch durchaus beeindruckenden und platzsparenden Engine nur irgendwie ein inhaltlich etwas weniger fragwürdiges Spiel gewünscht. Schade.
Hier noch ein paar Bilder einiger Spielszenen. Um alle Szenen, Animationen, Ereignisse und Zusammenhänge abzubilden, bräuchte man eine Unmenge von Screenshots, daher nur eine kleine Auswahl. Zum Einkleiden der Tochter gibt es erwartungsgemäß auch einige "gewagte" Klamotten (oder gar keine), an die man zum Teil nur über das Lösen von Quests oder per Cheat herankommt. Das trägt nur wenig zum Spiel bei, daher als dezenter Protest dagegen auch keine Bilder davon. Cheaten kann man übrigens ohne Ende, vermutlich auch weil es eine Arbeitsfassung ist, stehen die Türen zu Entwicklerfunktionen weit offen (EventFlags etc.)
Alle DOS-Screenshots sind direkt vom 386SX25 mit 6 MB RAM, auf dem das Spiel trotz externer 16 Bit und fehlender FPU in hoher Auflösung in etwa der selben Geschwindigkeit läuft, wie auf einem Pentium. Das nenne ich effektive Programmierung. Allein schon dafür verdient das Spiel ein Lob. Und wenn man möchte, kann man die kleinen und großen Fragwürdigkeiten auch recht gut umspielen bzw. ignorieren, und innerhalb eines gewissen Rahmens auch interessante Persönlichkeiten erziehen. Leider ist dieser kulturell bedingte Rahmen aber oft sehr eng.
Chris