Danke, nachfolgend der überarbeitete Text:
... es ist eine Schreibmaschine! Oder doch nicht?
In den 1980ern wurde im kommerziellen Umfeld tariflich streng unterschieden, zwischen Schreibmaschinen- und PC-Arbeitsplätzen. Aber nicht nur tariflich, sondern auch psychologisch war diese Unterscheidung wichtig. PCs waren damals überwiegend kompliziert zu bedienen, benötigten Schulungen, DOS, Anwendungen, ... und somit war für manche Schreibkraft auch eine teils unüberwindliche Hemmschwelle vorhanden, seine Arbeit am PC statt an der Schreibmaschine zu verrichten, obwohl auch manche elektronischen Schreibmaschinen mit Display über vergleichsweise umfangreiche Bearbeitungshilfen und nicht flüchtigen Speicher oder gar Diskettenlaufwerke zur Speicherung von Textbausteine, Floskeln, Formularen oder ganzen Texten hatten. tariflich war relevant, dass PC-Arbeitslätze wollten besser bezahlt wurden als Schreibmaschinen-Plätze.
Ein PC hatte gegenüber damaligen Schreibmaschinen einen großen Vorteil, nämlich dass man den ganzen Brief am Bildschrim darstellen und überarbeiten konnte, bevor man ihn druckte, und man konnte ihn auf Diskette oder Festplatte speichern und auch für andere Office-Programme verwenden, Lotus-1-2-3 und dBase waren für erfahrenere PC-Anwender damals neben MS-Word und Wordperfect die Killerapplikationen. Dafür aber hatten die meisten für PC verfügbare Drucker eine schlechtere Schriftqualität, da es oft nur Nadeldrucker waren. Typenraddrucker oder Laserdrucker waren am PC eher selten und/oder sehr teuer, wogegen fast jede elektronische Schreibmaschine, selbst die kleinen für Zuhause, mit einem Typenrad ausgestattet waren und mit Carbonfarbbändern gestochen scharf druckten.
Einige wenige Büromaschinen- und Computerhersteller erkannten diese Nische. Die Schneider Joyce ist hier im Forum sicher jedem ein Begriff, ein CP/M-Rechner, der auf Textverarbeitung spezialisiert war, aber auch andere Sachen konnte, den man überwiegend im Heimbereich und kleinen Büros einsetze. Es gab aber noch weitere Hersteller, die sich in dieser Nische erfolgreich ausbreiteten und teils ganze Bankenhochhäuser damit "fluteten". Am erfolgreichsten war in Europa wahrscheinlich Olivetti, welche seit etwa 1985 Bildschirmschreibmaschinen der ETV-Serie produzierte. Die ersten Modelle liefen noch mit Z80-Prozessor und CP/M als Betriebssystem und es wurden grundsätzlich zwei Bauarten unterschieden:
- Erweiterungen in Form von externen Boxen in der Größe eines PC, welche per an der Schreibmaschine nachrüstbarer serieller Schnittstelle an vorhandene Typenradschreibmaschine der ET-Serie (ET 111, 112, 115, 116, 201, 221, 225) angeschlossen werden konnten. Das waren die Modelle ETV 300 (5,25 Zoll Floppy) und ETV 350 (3,5 Zoll Floppy)
- Von vorneherein als Bildschirmschreibmaschine konzipierte Geräte, bei denen Drucker, Tastatur und Zentraleinheit in einem Gehäuse waren, der Monitor konnte frei auf dem Tisch oder an einem Schwenkarm über der Schreibmaschine platziert wurden. Das waren die ETV 240 und 250, wobei die 240 das Betriebssystem nicht von Diskette booten musste, sondern das Schreibprogramm im ROM hatte. Dafür konnte man auf der 240 aber keine CP/M Programme starten.
1986 wurde dann ein neues Modell vorgestellt, die ETV 260, an der Modellnummer (2x0) erkennt man, dass es ein voll integriertes Gerät war, das heißt Typenraddrucker und Zentraleinheit in einem Gehäuse, Monitor extern bzw. mit Schwenkarm. Der Unterschied zu den Vorgängern bestand darin, dass die ETV 260 auf dem Personal Computer Olivetti M19 (8088, 4,77 Mhz, 512-640 kB RAM) basierte und folglich als Betriebssystem MS-DOS verwendete. Optional konnte die ETV 260 statt mit zwei 720 kB Diskettenlaufwerken auch mit einer Floppy und einer 20 MB Festplatte ausgestattet werden. Die ETV 260 war in der Serie die komplexeste Maschine mit dem schnellsten Druckerwek, sie hatte Sensoren für die Position des eingespannten Papiers und dessen Breite und war infolgedessen auch nicht ganz billig. Die ETV 260 gab es auch für vorhandene Schreibmaschinen der ET-Serie zum Nachrüsten in Form eines originalen, nur umgelabelten M19 PC, der dann ETV 500 hieß, und wiederum seriell an die Schreibmaschine angeschlossen wurde.
Ich präsentiere euch nachfolgend ein paar Bilder meines jüngsten Neuzugangs, einer ETV 2700. Das ist wiederum der Nachfolger der ETV 260, basierend auf dem NEC V40 Prozessor mit 256 bis 768 kB RAM, 2 Floppy oder 1 Floppy plus Festplatte und dem Typenraddrucker der damals brandneuen ET-2xx0 Schreibmaschinen-Serie. Meine ETV 2700 ist das Grundmodell, 2 Floppy, 256 kB RAM, ich werde allerdings versuchen, sie zu erweitern, 768 kB sollten kein Problem sein, 256 kB SIMMs habe ich noch, aber mal sehen ob ich sie auch mit einer Platte ausrüsten kann. Auch diese Bildschirmschreibmaschine gab es als Erweiterungsbox, genauer gesagt einen Monitor mit integriertem PC, den man an die neueren ET-2xx0 , quasi die letzte Generation Büroschreibmaschinen von Olivetti, seriell anschließen konnte, die ETV 2900.
Interessant ist übrigens, dass der Druckertreiber für DOS extra aus der Config.sys geladen wird und ständig im Speicher verfügbar sein muss, damit man aus DOS damit drucken kann. Der Treiber ermöglicht auch über einen Hotkey auf der Tastatur jederzeit ein Fenster einzublenden, in dem der Drucker seinen Status anzeigt und man die ETV 2700 wie eine einfache Schreibmaschine ohne Display/Monitor nutzen kann, was man dann tippt, landet sofort auf dem Papier, Dank Korrekturband sind in diesem manuellen Modus auch Tippfehler innerhalb einer Zeile kein Problem.
Das letzte Modell der ETV-Serie war die 4000s, über die ich aber wenig weiß, die erschien erst nach meiner Zeit bei Olivetti, also irgendwann 1991, außer einigen Fotos ist mir die noch nicht begegnet, auf einigen Fotos ist aber eine Maus und ein Handscanner zu erkennen. Damit der Scanner Sinn macht, muss sie entweder Schrifterkennung gehabt haben, oder einen anderen Drucker, z.B. den qualitativ hochwertigen Thermotransferdrucker aus der Olivetti CWP-1.
Nachfolgend die Bilder meiner voll funktionsfähigen ETV 2700, es ist faszinierend, dem Typenraddrucker zuzuschauen, wie er sehr schnell bidirektional die Buchstaben auf das Papier hämmert.