Hier habe ich noch einen netten, älteren Text gefunden, den ich vor einigen Jahren über meinen Plus/4 geschrieben habe. Das war noch vor der Zeit aktueller Entwicklungen wie "Pet´s Rescue" oder "Lands of Zador" - also bitte nicht wundern, wenn diese im allzu nostalgischen Beitrag nicht erwähnt werden.
Ich möchte in diesem Beitrag gerne von meinem ersten Computer erzählen. Jepp, ein wenig von dem Gerät erzählen, das in mir zum ersten Mal die Freude und das Interesse an der wunderbaren Welt der Computerei und des Erforschens von Bits und Bytes geweckt hat.
Am Anfang stand natürlich das Spiel bzw. der Wunsch nach coolen Videospielen daheim und ständig verfügbar. So führte es zu großer kindlicher Freude - ich war wohl damals so etwa 9 Jahre alt - als ein Arbeitskollege meines Vaters verlauten ließ, er wäre wohl bereit, sein "Videospiel" für günstiges Geld zu verkaufen, da er sich etwas "Besseres" zugelegt hatte. Nach elterlicher Zustimmung (und natürlich Bezahlung) stand das mysteriöse Gerät dann eines Tages nach der Schule auch tatsächlich mitten auf dem Wohnzimmertisch. Und führte zu einer großen Überraschung, hatte ich doch etwas Keilförmiges mit Modulschacht Marke Atari 2600 erwartet. Das kannte ich schon von Freunden her und innerlich hatte ich mich bereits darauf eingestellt. Doch es kam anders.
Das Gerät auf dem Tisch war tatsächlich keilförmig und schwarz, auch die eher schmalen Maße stimmten in etwa mit der Pixelschleuder von Atari überein. Aber damit hörten die Ähnlichkeiten schon auf. Fast die ganze Oberseite war mit weißen Tasten bedeckt, die neben dem Alphabet und vielen Grafikzeichen auch geheimnisvolle Aufschriften wie "Esc", "Control", "Shift" und "Return" trugen. Rechts befand sich ein Steuerkreuz, bei dem vier graue, pfeilförmige Tasten in vier Richtungen zeigten. Und die vielen Anschlüsse an der Rückseite waren mit ebenso mysteriösen Worten wie "Serial", "User Port" und "Memory Expansion" beschriftet. Das wirkte alles sehr gewichtig und professionell. Kein Zweifel: dies war kein einfaches Videospiel mehr, sondern ein waschechter Computer, der bestimmt wunderbare Dinge tun konnte.
Commodore Plus/4. Diese Worte standen oberhalb der Tastatur auf dem Gerät. Schnell in den Fernseher gestöpselt und eingeschaltet, zeigte sich ein weißes Bild mit blauem Rahmen und schwarzer Schrift. "Commodore Basic V 3.5 60.671 Bytes free" stand dort. Ein Cursor blinkte erwartungsfroh. Fremdartige Worte. In ihnen lag ein noch unerfülltes Versprechen digitaler Weiten. Von all jenen Möglichkeiten war die Allerwichtigste zum Glück auf einem beigelegten Handzettel beschrieben: wie man Spiele lädt. Spielekassette in die farblich zum Computer passende Datasette Commodore 1531 eingelegt, LOAD getippt, Return und PRESS PLAY ON TAPE gedrückt. Mein erstes selbstgeladenes Spiel hieß "Runner", und war ein simples Plattformspiel, bei dem ein LEGO-artiges Männchen mit Raketenrucksack Leitern raufklettern, Feinden ausweichen und pro Level drei Schlüssel sammeln musste. Das ganze Spiel hatte leider nur drei Level, dann ging alles von vorne los.
Und trotzdem machte es eine Riesenfreude, nicht mehr passiver Konsument vor dem großen Wohnzimmerfernseher zu sein, sondern die Pixel und Männchen dort selbst zu steuern, und die Spiele zu besiegen. Es waren zum Großteil äußerst einfache und oft kurze Spiele, deren Namen heute kaum noch jemand kennen wird. Runner. Ghost Town. Atlantis. Booty. Xargons Revenge. Bandits at Zero. Shark. Zodiac. Malone. Monkey Magic. Blagger. Und noch viele mehr. Wie mir später klar wurde, lag das Handicap der Spiele neben den technischen Einschränkungen des Plus/4 (wie dem piepsigen TED-Klang und keinen hardwaregestützten Sprites) auch daran, dass alle meine Spiele kompatibel zum Commodore 16 geschrieben waren, und daher von den 64 KB RAM des Plus/4 eben nur 16 KB verwendeten.
Und wie komplex können Grafiken und Spielwelten sein, die in 16 Kilobyte passen müssen? Und doch gab es Spiele, die das Unmögliche zu wagen schienen, und alle Einschränkungen überwanden, um feine Grafik und "große" Welten zu bieten. Hierzu hört man oft lobend den Namen Udo Gertz und die Firma Kingsoft, die mit Spielen wie Winter Games an die grafischen und speichertechnischen Grenzen der C16-Kompatibilität gingen. Und Spiele wie die pyramidale (aber leider auch zu verbuggte und nicht durchspielbare) Schatzsuche "Tom" versetzten einen in die Rolle eines Indiana Jones und überraschten mit der Weitläufigkeit ihrer Welt. Und das alles in 16 Kilobyte RAM. Falls er das hier lesen sollte: Danke an Udo Gertz und Kingsoft, ihr habt den C16 und Plus/4 entgegen der Markttendenz auch als Spielerechner ernst genommen.
Natürlich habe ich den Plus/4 nicht nur zum Spielen verwendet. Es lagen zwei dicke Handbücher im Ringbuchformat mit mächtigen 250 bzw. 270 Seiten Umfang bei, die sowohl das BASIC 3.5, als auch die im ROM eingebauten "Home Office"-Programme des 3-Plus-1-Modus beschrieben. Meine erste Großtat in Sachen Grafik bestritt ich übrigens mit Kapitel 6.1 des Handbuches: Grafikzeichen - wie man Spielkarten entwirft. Was eigentlich als Tastaturtraining nur erklärte, wie man Spielkarten mit dem Zeichensatz gestalten konnte. Schnell ging es dann in die Tiefen von BASIC 3.5, und bald konnte ich kleine Spiele, Grafikeffekte und sogar Klänge programmieren. Als ich dann Jahre später am "besseren" C64 saß, fielen mir dort das weniger komfortable BASIC 2.0 und das dünne Handbuch verglichen mit meinen Plus/4-Erfahrungen sogar negativ auf.
Eine Besonderheit des Plus/4 sind auch seine namensgebenden Programme im ROM, die laut Planung von Commodore den Rechner auch für Firmen und Büros als semi-professionelle Lösung interessant machen sollten. Textverarbeitung. Tabellenkalkulation. Datenbanken. Formeln. Diagramme. Serienbriefe. Datenaustausch. Das klang alles sehr beeindruckend und natürlich wurden die Lektionen des Handbuches gewissenhaft durchgearbeitet. "Es gibt fast kein anderes derartig leistungsstarkes Programm für einen Computer dieser Größe..." erklärt das Handbuch im Vorwort selbstsicher. Was auch stimmen würde, wenn der Rechner etwa um 1978 herum erschienen wäre. Mitte der 80er Jahre waren die eingebauten Programme keinesfalls mehr "up to date" und nur mit Mühen für ernsthaftere Aufgaben zu gebrauchen. Wie so oft in der Firmengeschichte von Commodore waren es Ideen, die auf dem Papier gut klangen, in der Praxis aber wenig überzeugten. Dies natürlich rückblickend gesehen, damals fühlte es sich für einen jungen Computerfan einfach profihaft an, in den monochromen 3-Plus-1-Modus zu gehen (per F1-Taste übrigens).
Nach langen Jahren der Treue zum Plus/4 begannen die amüsierten Kommentare aus dem Freundeskreis. Leute, die an einem Amiga 500 zockten (und leider sonst auch nichts anderes damit taten) waren nur noch wenig beeindruckt von den holprigen Fähigkeiten des alten 8-Bitters. Wenn schon veraltet, so sollte ich mir doch wenigstens einen dieser viel weiter verbreiteten C64 holen, da sind die Spiele viel genialer. Was ich dann am Ende auch tat, aber in so manchen Dingen blieb mir der Plus/4 doch sympathischer. Wo waren beim C64 die bequemen BASIC-Möglichkeiten für Grafik, Sound und Fehlersuche? Wo das stylische Steuerkreuz für alle 4 Cursorrichtungen? Wo die 60.671 freien BASIC-Bytes in der Einschaltmeldung? Wo die dicken und detaillierten Handbücher? Und obwohl mir jeder versichert hatte, dass der C64 soviel besser wäre, war dies in manchen Punkten nicht wahr.
In den 90ern stieß ich als Leser des Computer-Flohmarkts zu meiner Überraschung natürlich auch auf die dort vertretene Plus/4-Szene. Hier fiel besonders die Gruppe Synergy auf, die über viele Jahre den Rechner noch mit Software, Demos, Spielen und sogar eigener Hardware versorgte. Teilgenommen habe ich an dieser Szene aber nie, und so ist der Plus/4 für mich auch kein Szene-, Aufrüst- und Demorechner geworden, sondern weiterhin das, was er schon am Anfang war: mein erster Computer mit langsamer Datasette und eine wichtige und auch schöne Erinnerung an das, was die Computerei faszinierend macht.
Und wo ist mein erster Rechner heute? Hier direkt hinter mir im Schrank. Er funktioniert sogar nach wie vor, auch wenn seine Tastatur etwas schwergängig geworden ist, und flüssiges Tippen und Programmieren nicht mehr ganz funktioniert. Und mein erstes Spiel "Runner"? Noch immer auf der Originalkassette, und noch immer mit LOAD und PRESS PLAY ON TAPE spielbar. Was ist sonst noch an Erinnerungen geblieben? Das erste Spiel. Kingsoft und Udo Gertz. Der zum Scheitern verurteilte Kampf gegen die Pyramide in Tom. Die erste selbstgemalte Spielkarte in Zeichensatz. Das erste "lange" BASIC-Programm. Das Umblättern der letzten Seite im BASIC-Handbuch. Ausgelernt. Und vieles mehr. Und warme Füße, weil man die so schön auf das keilförmige, schwarze Netzteil unter dem Tisch stellen konnte.
Der Plus/4 ist rückblickend gesehen sicher kein überragender Computer. Wie bei so vielen Konzepten von Commodore stimmte bei ihm so manches nicht zusammen, und das Resultat war ein auf dem Markt nur kurzlebiges Produkt. Die Spiele waren zu oft simpel und technisch selbst damals Jahre hinterher - die "Profi"-Software im ROM kaum verwendbar. Die Datasette brauchte viele, viele Minuten, um einige Kilobyte zu laden oder zu speichern. Und doch war (und ist) es mein Plus/4. Mein erster Computer. Eine prägende Erfahrung, die man heute als Einsteiger kaum mehr machen kann, da man mit Technologie als Austauschprodukt aufwächst. Und manchmal fällt mir noch die Antwort ein, die ich damals allen Anti-Plus/4-Lästerern hätte geben sollen: mein Computer ist der Beste überhaupt. Und zwar für mich.