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letzter Beitrag von Hoogo am

"Ambitionierte" deutsche Textadventures?

  • (ist kein reines C64-Thema, gerne auch Empfehlungen zu anderen klassischen Systemen - wusste nicht wohin mit dem Thread)


    Ich probiere ganz gern mal an einem Textadventure herum, auch wenn ich selten eins durchspiele. Wenn ich mir aber das Angebot an deutschen Titeln für 8-Bit, Amiga/ST und DOS ansehe, ist das inhaltlich zu 90% auf dem Niveau der Markt&Technik-Veröffentlichungen:

    1. Ein Setting, das in zwei Sätzen erklärt und meistens eher eingeschränkt originell ist
    2. keine Weiterentwicklung der Geschichte im Spiel, keine interessanten Charaktere
    3. allgemein extrem wenig Text
    4. Rätsel meist nur von der Sorte "Gegenstand A finden und in Location B benutzen"

    Wohlgemerkt: Mir geht's erst mal nur um die Frage der Story und des Spiel-Designs, technische Fragen (Parser, Wortschatz, Geschwindigkeit, Illustrationen und deren Qualität usw.) sind noch mal eine andere Frage (und i.d.R. ein weiteres Problem). Ich meine das auch gar nicht negativ, ich hab früher selbst einige solcher Titel durchgespielt (Freiheit, Drachental, Report...). Nur sind meine Ansprüche halt jetzt andere, ich hätte schon auch gern beim Lesen Spaß - nicht nur beim "Durchackern" eines wortkargen Titels.


    An Titeln, die aus dem obigen Schema auszubrechen versuchen, fallen mir die je drei Veröffentlichungen der Weltenschmiede und von Guido Henkel ein, Soul Crystal und eventuell noch "Mit Jeans und Hellebarde" - letzteres ist mir empfohlen worden, hab's noch nicht selbst angespielt.


    Das ist allerdings sehr wenig Output für bald anderthalb Jahrzehnte Homecomputer-Zeit. Hat vielleicht noch jemand Empfehlungen für mich?

  • Ich wollte gerade die Infocom-Adventures erwähnen bis mir auffiel, dass du explizit nach deutschen (du meinst wahrscheinlich deutschsprachig?) Titeln gesucht hast.

    Da kann ich nicht viel bieten.

    Diejenigen aus dem Buch "Adventures und wie man sie programmiert" habe ich auch als eher einfach in Erinnerung.

    Hm... Ein Beitrag um zu sagen, dass ich eigentlich auch nichts beizutragen habe - auch nicht schlecht. Aber vielleicht kannst du ja erläutern, wieso du dich auf deutsche Titel beschränken willst?

  • Nun, daß deutsche Adventure mit Infocom und Co nicht mithalten können, hat einen einfachen Grund: Sie wurden zumeist von Schülern oder jungen Erwachsenen in der Freizeit als Hobbyprojekt in Basic geschrieben. Dadurch ergeben sich automatisch technische Beschränkungen auch hinsichtlich der Textmenge, aber natürlich ebenso in bezug auf die Erzählung an sich. Nicht jeder Basicprogrammierer ist schließlich auch ein guter Geschichtenerzähler. Bei professionellen Firmen (Infocom, Magentic Scrolls,Trillium etc) haben nicht nur ausgebildete Programmierer am Code gewerkelt, sondern es wurden fürs Erzählen teilweise auch Leute mit schriftstellerischem Hintergrund einbezogen.


    Was den Amiga/AtariST anbelangt, so war zu der Zeit mit Ausnahmen wie Magnetic Scrolls der Markt für Adventures bereits so gut wie tot. Ohnehin war der deutsche Markt sehr klein, so daß es sich für professionelle Softwarehäuser kaum lohnte, von sich aus ein Adventure zu entwickeln. Infocom und Magnetic Scrolls haben zusätzlich mit ihrem hohen Niveau der Satzanalyse einen Maßstab gesetzt, der aufgrund der komplizierteren Struktur der deutschen Sprache damals mit herkömmlichen Mitteln nicht erreichbar war, was die Motivation zur Entwicklung ausbremste. Das Aufkommen der Point&Click-Adventure gab dem Textadventure dann den Rest.


    Auf älteren Computern wie dem C64 stand ein Programmierer zudem schon zu Beginn vor der Frage, wie er mit der deutschen Schreibung in Form der Umlaute ä. ö. ü und dem ß umgehen soll, da diese von den Rechnern weder bei der Tastatureingabe noch der Zeichenausgabe nativ unterstützt wird. Der Programmierer mußte somit, wenn er tatsächlich vom optischen Eindruck her lesbare Texte gestalten und nicht auf die ae, oe, ue und ss-Schreibweise zurückgreifen wollte, stets seine eigene Zeichenroutine mit eigenem Zeichensatz entwerfen und stand dann auch vor dem Problem, wie er seine deutschen Texte mit Umlaut eingeben soll, d. h. er brauchte bei längeren Texten dafür eigentlich auch noch einen eigenen Editor. Die Einstiegshürde in die Entwicklung von komplexeren Adventures war somit recht groß und vielen Hobbyisten zu umständlich, besonders wenn es sich um ein Projekt in Basic handelte.


    Bezüglich der genannten Kriterien für ein Adventure fällt übrigens auf, daß Punkt 4 "Rätsel meist nur von der Sorte "Gegenstand A finden und in Location B benutzen"" quasi das Grundprinzip der Adventure beschreibt. Spiele, die nicht auf diesem Prinzip beruhen, sind mir nicht bekannt. Ich nehme daher an, daß Du meinst, ein Spiel sollte diesen Mechanismus nicht so deutlich aufweisen, doch das ist etwas schwammig. Wäre es vielleicht möglich, daß Du ein paar Beispiele englischsprachiger Adventure benennst, damit man sich besser vorstellen kann, was genau Dir vorschwebt?

  • Habe mir vor kurzer Zeit das Buch "Der Kaiser von New York" von Uwe Anton gekauft. Im Ulenstein Verlag sind einige Abenteuerbücher erschienen, die für das Brett ausgelegt sind und ihrer digitalen Transformation harren. Ist in etwa das Szenario von "I am Legend", aber bereits von 1988.

    Mal schauen, wollte das eigentlich mit meinem Sohn zusammen als TA für unseren 8032 in Basic implementieren.


    Es gibt auch noch "Stadt der Dämonen" vom selben Autor, in dem Verlag, konnte es aber nicht sourcen.

  • Selbst noch nicht gespielt, aber offenbar hochgelobt sind wohl die Spiele von Stefan Vogt (Hibernated 1 und das zugehörige Addon Eight Feet Under sowie The Curse of Rabenstein) und Davide Bucci (The Queen's Footsteps). Die Spiele sind allesamt als Download gratis, können aber auch als physische Ausgabe bei polyplay.xyz erworben werden und wurden für verschiedene Systeme veröffentlicht inkl. C64.


    Edit: Sorry, die sind nicht deutschsprachig. ;( :tischkante:

  • Aber vielleicht kannst du ja erläutern, wieso du dich auf deutsche Titel beschränken willst?

    "Historisches Interesse", bin ja schließlich Retrogamer. "Damals" ist mir in freier Wildbahn nur Soul Crystal über den Weg gelaufen, das fiel schon wegen der Textmenge auf. Mich interessiert halt, was es sonst noch gab.

    Nun, daß deutsche Adventure mit Infocom und Co nicht mithalten können, hat einen einfachen Grund: Sie wurden zumeist von Schülern oder jungen Erwachsenen in der Freizeit als Hobbyprojekt in Basic geschrieben.

    Ich würde es eher so formulieren: Der Markt war zu klein, um Läden wie Infocom zu finanzieren. Ich kenne nur zwei Teams - die oben erwähnten - die überhaupt mehr als ein kommerzielles (Vollpreis-) Adventure veröffentlicht haben. Dass in der Situation niemand erst mal ordentliche Tools entwickelt, ist ja nicht überraschend.

    Bezüglich der genannten Kriterien für ein Adventure fällt übrigens auf, daß Punkt 4 "Rätsel meist nur von der Sorte "Gegenstand A finden und in Location B benutzen"" quasi das Grundprinzip der Adventure beschreibt. Spiele, die nicht auf diesem Prinzip beruhen, sind mir nicht bekannt.

    Naja, natürlich kannst du fast jedes Rätsel auf diese Formel herunterbrechen. Aber ich meinte die Kategorie Spiele, die das sklavisch so umsetzen: Schlüssel öffnet Schublade, die enthält eine Magnetkarte, die öffnet Lagerraum, dort findet sich der Eimer, den der Zauberer unbedingt haben will... Das sind streng genommen keine Rätsel, sondern aus spielerischer Sicht eher so etwas wie ein Suchbild.


    Gute Rätsel, die mir spontan einfallen (SPOILER):


    In Enchanter von Infocom musst du mit Radiergummi und Bleistift eine magische Karte manipulieren um ein zunächst völlig sinnlos erscheinendes Laybrinth so umzubauen dass die schreckliche Kreatur, die in einem nicht zugänglichen Raum hockt und einen wichtigen Gegenstand bewacht, dort heraus kann - dann aber möglichst schnell (durch erneute Manipulation) woanders eingesperrt wird.


    Es ist ewig her, dass wir die Kathedrale gespielt haben - aber ich meine da musste man an einer Stelle ein Stück Eisen oder einen Erzklumpen mitnehmen und an einer bestimmten Stelle ablegen, um sicherzustellen dass die ständig auftretenden Blitze genau dort einschlagen.


    In "Leather Godesses of Phobos" gibt es einen "T remover" - das war mir als Nichtmuttersprachler zu hoch. Aber im Longplay hab ich dann erfahren dass ich damit aus einer "jar of untangling cream" eine "jar of unangling cream" hätte machen können, um damit einem König zu helfen, der ein schlimmes Problem mit überall auftauchenden Winkeln ("angle") hatte.


    Das hier musste ich nochmal im Netz nachsehen, hab das Ur-Adventure nie gespielt. Das "Rätsel" ist echt fies, aber sehr lustig:

    Code
    1. a huge green dragon bars the way!
    2. > attack dragon
    3. With what? Your bare hands?
    4. > yes
    5. Congratulations! You have just vanquished a dragon with your bare hands! (Unbelievable, isn’t it?)
  • Ich hätte ja Unhallowed in den Raum geworfen, hab auch schonmal mit dem Programmierer über eine deutsche Version gesprochen, ist aber irgendwie im Sande verlaufen leider, dabei ist das ganze wirklich saugut erzählt und in Szene gesetzt ... ich glaub ich mail ihn nochmal an :)

  • Sorry, das hätte ich vielleicht deutlicher schreiben sollen: Die Titel von Guido Henkel/Hans-Jürgen Brändle und Weltenschmiede, die ich als "mir bekannt" erwähnt hatte, sind: Hellowoon, Oooze, Drachen von Laas, Stundenglas, Kathedrale, Hexuma. Das sind die einzigen mir bekannten Entwickler-Teams, die langfristige Adventure-Pläne verfolgt haben.

  • Gab es "Alter Ego" nicht auch auf Deutsch? In der GB64 finde ich es nicht.


    Ich erinnere mich auch an ein Spiel "die neue Stadt", finde ich ebenfalls nicht n der GB64. War ein multiple choice adventure, vermutlich aus einem dieser Blätterbücher abgetippt, die in den 80ern/90ern mal beliebt waren. Darin ging es eigentlich nur um soziale Interaktionen nach einem Umzug in eine neue Stadt.